Im Dezember 2010 eröffneten wir in einer ruhigen Sackgasse in Kreuzberg unser erstes Café. Die Berliner Spezialitätenkaffeeszene war noch im Entstehen. Begriffe wie Direkthandel, Transparenz und Terroir waren noch nicht geläufig. Doch vom ersten Tag an bildeten sie die Grundlage unserer Arbeit.
Wir haben unseren eigenen Kaffee im Hinterhof geröstet, unsere Kuchen selbst gebacken und alles selbst gebaut, einschließlich einer handgefertigten Filterkaffeemaschine mit Hario V60 und geschweißten Kupferrohren. Es war ehrlich, einfach und praktisch. Filterkaffee war nicht nur eine Anspielung auf Nostalgie, sondern unsere Art, Herkunft, Verarbeitung und Sorte hervorzuheben. Für uns war es die überzeugendste Art, Kaffee zu präsentieren.
Sophie und ich führten das Café selbst. Wir öffneten die Tür, kochten den Kaffee und bedienten die Gäste. Es gab keinen großen Plan. Nur den Glauben an Geschmack, Qualität und die stille Möglichkeit, etwas Sinnvolles zu schaffen.
Eine Nachbarschaft und eine Gemeinschaft
Der frühe Winter war hart; 15 bis 20 Zentimeter dicke Eisschicht bedeckte wochenlang die Straßen. Nach unserer ersten Öffnungswoche verließ ich Berlin kurz, um mit meinem Vater einen alten Freund der Familie in den Niederlanden zu besuchen. Sophie war allein und hielt das Café in der bitteren Kälte zusammen. Eines Tages drehte sie sich um und sah einen Mann schweigend im Café sitzen, der sich die Beine rieb, wie er es noch immer tut. Sie hatte ihn nicht hereinkommen hören. Der Mann war Mario.
Mario kam aus Argentinien, ein ehemaliger Studentenvertreter mit einer schweren Vergangenheit. Er erzählte uns, dass die Polizei in Berlin, anders als anderswo, nicht gegen ihn vorging und er deshalb geblieben sei. Er wohnte gleich die Straße runter im Sozialwohnungskomplex. Langsam fügte er sich in den Rhythmus unseres Raumes ein. Er begann, mit Stühlen zu helfen, kam früh und wurde zu einem der bekanntesten Gesichter im Café. Im Laufe der Jahre war er in Mitarbeitervideos zu sehen, wurde zu jeder Teamparty eingeladen und wie ein Familienmitglied willkommen geheißen. Obwohl er wegen seines verletzten Beins keine Stühle mehr tragen kann, ist er immer noch fast jeden Tag da, mal im Büro, mal einfach so. Und immer willkommen.
In diesem Café drehte sich nie alles nur um Kaffee. Es war und ist ein Teil von Kreuzberg. Edgar und sein Team betreiben heute Bagel Bro an der Ecke, das einst als Fed Deli begann. Atelier Dough backt in der Nähe wunderschöne Donuts. Die Straße runter betreibt Mariama immer noch das Senegambia Restaurant, denselben Ort, an dem Sophie und ich in den ersten, anstrengendsten Tagen unserer Renovierung gegessen haben. Fünfzehn Jahre später kocht sie immer noch, und wir kommen immer noch gerne hierher.
Die Renovierung: Eine Chance für einen zielgerichteten Wiederaufbau
Anfang des Jahres mussten wir uns einer bitteren Wahrheit stellen: Ein altes Leck hatte den Boden unter unserer Bar beschädigt. Nach fast einem Jahr provisorischer Reparaturen wussten wir, dass wir alles herausreißen mussten. Doch statt nur zu reparieren, entschieden wir uns für einen Neubau – mit voller Absicht.
Diese Renovierung bot die Gelegenheit, zum Kern dessen zurückzukehren, was unser Kreuzberger Café so besonders machte. Wir haben den Raum geöffnet, indem wir einen Personalraum mit Tageslicht zurückgewonnen und ihn in einen Teil des Gästebereichs verwandelt haben. Die Raumaufteilung wurde neu gestaltet, um sowohl einen besseren Arbeitsablauf als auch ein einladenderes Gästeerlebnis zu ermöglichen.
Im Mittelpunkt der Renovierung stand die erneute Fokussierung auf Filterkaffee. Wir haben eine eigene Ecke für handgebrühten Kaffee eingerichtet und damit genau das zurückgebracht, womit wir 2010 an den Start gegangen sind: einen Raum zum Innehalten, Austauschen und Reden über Kaffee. Es ist für uns nach wie vor die beste Möglichkeit, die Nuancen von Sorte, Terroir und Verarbeitung zu vermitteln, und wir sind stolz darauf, dies wieder zu einem sichtbareren Bestandteil des Gästeerlebnisses zu machen.
Und der Käsekuchen, unser originales, legendäres Rezept, ist geblieben. 2011 schickte meine Mutter Sophie das Rezept per E-Mail und scherzte, es würde ein Hit werden. Und sie hatte Recht. Dieser Käsekuchen wurde zur Seele des Cafés und ist bis heute sein Mittelpunkt.
Design als Erlebnis
Bei diesem Projekt ging es nicht um ästhetische Schnörkel, sondern um Klarheit und Licht. Gemeinsam mit unseren langjährigen Partnern von Sun Studio entwickelten wir ein Design, das praktisch, raffiniert und stimmungsvoll zugleich ist. Sebastian und Tobias Amberger, Anna Kruglova und Lukas Dietrich schufen einen Raum, der Handwerk und Ruhe gleichermaßen würdigt.
Der Aufbau wurde von Joe, Taylor und Pete von MADE durchgeführt, die seit unserer Mitte-Bar und darüber hinaus mit uns zusammenarbeiten. Sie bauten die Aluminiumbar, ein klares und markantes Herzstück, nach Maß, gekrönt von einer Granitplatte, die wir von Steinsite in Neukölln bezogen haben. Wir verbrachten Stunden damit, Steine zu sortieren, bis wir einen mit der richtigen Tiefe und ruhigen Stärke fanden – ein Stück aus Simbabwe, das den Raum mit Würde verankert.
Die Beleuchtung spielte eine entscheidende Rolle. Wir installierten Schienenbeleuchtung, um das gesamte Café offener zu gestalten und so Wärme ohne Blendung zu erzeugen. Außerdem brachten wir die Hängelampen von Serax zurück, die wir erstmals in unserem inzwischen geschlossenen KaDeWe-Café verwendeten. Ihre sanfte Präsenz vermittelte ein Gefühl von Kontinuität und erinnerte an frühere Kapitel, die nun in dieses neue übertragen werden.
Auch die Weltkarten haben wir behalten – eine subtile Anspielung auf unsere ursprüngliche Inspiration. Diese Karten, die der Klassenzimmerästhetik der 1960er Jahre entlehnt sind, bieten einen ruhigen Gesprächsstoff und verbinden Geografie, Zeit und Herkunft mit den Wänden.
Blick nach vorn
Wir waren schon immer davon überzeugt, dass es beim Design nicht um Dekoration, sondern um Fokus geht. Dieser neue Raum lässt mehr Licht, mehr Luft und mehr Zeit herein. Es ist ein Ort, an dem Menschen zur Ruhe kommen und wir wieder das hervorheben können, was uns am wichtigsten ist: Herkunft, Geschmack und Verbundenheit.
Wir sind allen, die dies möglich gemacht haben, zutiefst dankbar – von Tom Freund, unserem Geschäftsführer, der dieses Projekt mit unendlicher Sorgfalt und Entschlossenheit vorangetrieben hat, bis hin zu unserer Nachbarschaft und den Menschen, die uns seit fünfzehn Jahren unterstützen.
Fünf U-Bahn-Stationen entfernt, in einer ruhigen Seitenstraße gelegen, ist das Kreuzberg Café kein Ort, über den man zufällig stolpert. Es ist ein Ort, den man sich aussucht. Und jetzt, mehr denn je, heißt es Sie willkommen.
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